Die Innovationsfähigkeit der Glasindustrie stellten während der zweitägigen glasstec UPDATE International Conference einmal mehr Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen unter Beweis. Sie setzten sich eingehend damit auseinander, wie die Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette einen Beitrag zu einer klimaneutralen Zukunft leisten kann, ohne dabei ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.
„Es war spannend zu erleben, wie intensiv und kontrovers Industrie und Planer bei dieser Konferenz über das Potential des Werkstoffes Glas und seinen Beitrag zu einer klimaneutralen Zukunft diskutierten. Es existiert ein riesiges Potential an Ideen, Visionen und Lösungen, die weiterverfolgt werden und auch auf der glasstec 2022 live erlebt werden können“, so Professor Ulrich Knaack vom Institute for Structural Design and Engineering an der TU Darmstadt
Bereits heute liegt der Fokus in der Glasindustrie nicht mehr allein auf der Optimierung der Energieeffizienz. Die Branche arbeitet intensiv am Wechsel auf alternative Energieträger um die CO2-Emissionen zu senken. Aktuell stehen dabei drei Technologien im Fokus: die vollständige Elektrifizierung mit Grünstrom, der Bau hybrider Glaswannen, die mit Strom und Erdgas bzw. später Wasserstoff betrieben werden sowie der Einsatz erneuerbarer Gase, wie beispielsweise Wasserstoff oder biogene Gase. Hier besteht jedoch noch ein enormer Bedarf an Forschungs- und Entwicklungsarbeit, um bereits verfügbare Technologien auf die notwendige Größe zu skalieren.
„Der Weg zur CO2-neutralen Glasindustrie hat bereits unumkehrbar begonnen. Jetzt müssen wir kurzfristige Lösungen finden, um den momentanen CO2-Ausstoß zu reduzieren z.B. durch innovative Produkte wie leichte Isoliergläser, aber auch durch konkrete Einsparungen in der Produktion, indem wir bestehende Anlagen optimieren. Mittelfristig müssen komplett neue Technologien entwickelt werden, um eine CO2-neutrale Produktion von Glas sicher zu stellen. An allen drei Dimensionen arbeiten wir bereits intensiv“, sagt Martin Stadler, Sales & Marketing Director, Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH.
Um langfristige Dekarbonisierungsziele erreichen zu können, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes, so die Experten. Dazu würde die Glasindustrie politische Unterstützung benötigen, um den Transformationsprozess so zu gestalten, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt. „Die Glasindustrie stellt sich den Herausforderungen der Zukunft und forscht intensiv an der Umstellung ihrer Prozesse“, sagt Dr. Johann Overath, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Glasindustrie e.V. „Allerdings ist sie auch darauf angewiesen, dass die Politik die notwendige Infrastruktur und Rahmenbedingen für den Wandel schafft. Dazu zählen vor allen Dingen niedrige Energiepreise, und Förderungen für den Ausgleich der Mehrkosten der Dekarbonisierung, z.B. über sog. Carbon Contracts for Difference, um auch nach der Umstellung auf erneuerbare Energieträger wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Hinzu kommen weitere relevante Faktoren, wie Recycling- oder Upcyclingfähigkeit der Produkte sowie Fragen der Logistik, die ebenfalls zur CO2-Reduktion beitragen können.
Auch Architekten und Planer teilten ihre Visionen zum klimaneutralen Bauen, energieeffizienten Gebäuden und dem urbanen Leben der Zukunft, ohne dabei den Fokus auf eine gesunde und lebenswerte Umgebung zu verlieren.
Stefan Kieckhöfel, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Glaserhandwerks und Mitglied des Programmgremiums sieht auch das Handwerk in der Pflicht: „Etwa 14 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland stammen aus dem Gebäudesektor. Hierbei werden jedoch nicht die Emissionen, die bei der Herstellung von Strom und Fernwärme oder von Baustoffen anfallen berücksichtigt, sondern der Energiewirtschaft und der Industrie zugerechnet. Dennoch sehen wir es als eine unserer vordringlichsten Aufgabe an, intensiv bei energetischen Sanierungen von Gebäuden mitzuwirken, indem wir aktiv und beratend auf die Endkunden und die Bauherren zugehen. Gerade beim bestehenden Fensterbestand liegt noch ein enormer Nachholbedarf an energetischer Sanierung.“
Die Megatrends Dekarbonisierung und CO2-Neutralität werden auch auf der glasstec 2022, vom 20. bis 23. September, im Fokus stehen. Auf der parallel stattfindenden „decarbXpo“ (www.decarbXpo.de) zeigen Technologie- und Serviceanbieter Lösungen und Dienstleistungen für die Dekarbonisierung von Industrie und Gewerbe.